Es gab wohl kaum eine Glauchauer Familie, die nicht in irgendeiner Art und Weise mit der Palla bzw. einem ihrer zugeordneten Werke verbunden war. Sei es, dass ein oder mehrere Familienmitglieder dort arbeiteten bzw. ausgebildet wurden, Nachbarn oder Freunde beschäftigt waren oder sie die Produktionsstätten im täglichen Leben wahrnahm. Umso verständlicher ist es, dass die Glauchauer Bürgerinnen und Bürger mit viel Interesse und auch Emotionen die Entwicklung in den letzten Jahren verfolgt haben.
Der Gebäudekomplex der Palla an der Otto-Schimmel-Straße und dem Scherbergplatz besteht aus dem Ernst-Seifert-Haus, folgend von dem Verbindungsbau, auch „Rennbahn“ genannt, dem Meyer-Bößneck-Haus sowie dem angrenzenden Scherberghaus. Bei diesem handelt es sich um mehrere miteinander verbundene Verwaltungs- und Produktionsbauten, die 1927/28 in einem Mischstil aus Neorenaissance-, Barock- und Reformstilelementen errichtet und später baulich zusammengefasst worden sind.
Die Gewerbebauten sind vom ortsansässigen Architekt Reinhold Ulrich konzipiert worden, der auch weitere, das Stadtbild prägende Bauten, wie das Postamt, das Stadtbad und das Empfangsgebäude des Bahnhofs schuf. Besonders aufwendig wurde die Fassade des Ernst-Seifert-Hauses an der Otto-Schimmel-Straße gestaltet. Sichtbar sind hier die Köpfe des Bauern, des Schiffers, des Schäfers, der Spinnerin, des Webers und des Kaufmanns. Die Spinne als Symbol der Spinnerei und Weberei ist in der Fassadenmitte angebracht. Über dem Portal sitzt Merkur auf der Erdkugel, zeugend vom Handel und Wandel der Weberei von dieser Zeit.
Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Eigentümer der Firmen Bößneck & Meyer und Ernst Seifert enteignet und die Betriebe verstaatlicht. Sie gingen 1951 in den VEB Textilwerke Einheit über. Im Jahr 1970 führte man alle Textilbetriebe im Raum Glauchau und Meerane zu dem VEB Textilwerke Palla zusammen. Die Palla war der größte Arbeitgeber der Region und richtete seinen Hauptsitz in diesem Objekt ein.
Nach der Wende entwickelte sich aus der Palla die Palla Creativ GmbH & Co. KG die 1998 außerhalb von Glauchau einen neuen Standort errichtete und den bisherigen Standort an der Otto-Schimmel-Straße schloss. Seitdem wurde versucht, durch zahlreiche Veranstaltungen und Initiativen eine Nachnutzung zu finden. Dies stellte sich jedoch als äußerst schwierig heraus und so wurde neben den Verkaufsbemühungen auch ein Abriss verfolgt. Erst die erneute Ausschreibung zum Jahresende 2020 führte zum Erfolg. Der Stadtrat der Stadt Glauchau beschloss den Verkauf in seiner Sitzung am 25.02.2021 zum Verkehrswert in Höhe von 453.000,00 Euro. Damit verbunden ist die Verpflichtung, mit der Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudekomplexes innerhalb von 18 Monaten zu beginnen und in weiteren 60 Monaten zum Abschluss zu bringen.
Geplant ist die Entstehung attraktiver und moderner Wohnungen. Die Entwicklung und Bebauung der unbebauten Fläche kann erst dann erfolgen, wenn mit der Sanierung des letzten Gebäudekomplexes begonnen wurde. Auf der Freifläche sollen eine Wohnbebauung in offener Bauweise, ansprechende Grünanlagen, Stellplätze und ein kleiner Nahversorger entstehen. Falls der Erwerber diesen Verpflichtungen nicht nachkommt, hat sich die Stadt Glauchau ein Wiederkaufsrecht eingeräumt.
Hinsichtlich der Sanierung des denkmalgeschützten Ensembles soll im Frühjahr 2022 mit dem Ernst-Seifert-Haus begonnen werden, gefolgt vom Verbindungsbau und im letzten Bauabschnitt vom Meyer-Bößneck- sowie vom Scherberg-Haus.
Bis zum Jahresende 2025 soll die Sanierung ihren Abschluss gefunden haben.